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Emden ist erste Reformationsstadt Europas

Ostfriesisches Landesmuseum Emden
Brückstraße 1 | 26725 Emden
Tel.: +49 (0)4921 - 87 20 50

Öffnungszeiten:
Di - So: 10:00-17:00 Uhr
Mo geschlossen sowie an Karfreitag, 24.12., 25.12. + 31.12. + 1.1.
Ostermontag, Pfingstmontag und am 26.12. geöffnet

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KUNSTWERK DES MONATS SEPTEMBER 2010

Die Lotsenflagge

In den Beständen des Ostfriesischen Landesmuseums Emden befindet sich ein ungewöhnliches Objekt. Es handelt sich dabei um eine Flagge von 150 cm Länge und 75 cm Höhe.

Auf der Flagge sind zwei Symbole zu sehen, die so scheinbar gar nicht zusammen passen. Die gesamte Fläche wird vom Union Jack Großbritanniens ausgefüllt. In der Mitte des Jacks befindet sich ein weißes Pferd. Dabei handelt es sich um das Sachsenross, das Wappentier der Welfen, dem Königshaus von Hannover. Noch heute finden wir dieses Symbol, in leicht abgeänderter Form, im Landeswappen Niedersachsens. Getrennt betrachtet lassen sich beide Symbole eindeutig zuordnen. Die Kombination ist allerdings ungewöhnlich.
Es stellt sich daher die Frage, in welcher historischen Epoche diese beiden Symbole auf einer Flagge zusammen kamen und welche Funktion damit erfüllte wurde?
Im Jahr 1714 verstarb die britische Königin Anne. Die nächsten katholischen Thronanwärter überging man aus politischen Gründen. So wurde der evangelische Kurfürst George Ludwig von Hannover zum König von Großbritannien und Irland gekrönt. Gleichzeitig wurde er König von Hannover und regierte beide Staaten fortan in Personalunion. Dadurch kam das Sachsenross nach England und der Union Jack nach Hannover.
In dieser Zeit waren Flaggen als Symbole für einen Nationalstaat, wie wir sie heute kennen, noch weitestgehend unbekannt. Damals dienten sie hauptsächlich in der Seefahrt als Zeichen für das Herkunftsland eines Schiffes. Sie erfüllten damit die Funktion eines Passierscheins, mit dessen Hilfe man Zutritt zu den Handelsgebieten der damaligen Seemächte erhalten konnte. Auch die Seemacht Großbritannien schuf durch den Erlass der Navigationsakte von 1651 ein Handelsmonopol innerhalb der eigenen Gebiete.
Durch die Personalunion mit Großbritannien erhoffte man sich im Königreich Hannover Zugang zu den exklusiven britischen Handelsgebieten. Dafür wurde die eigene rote Seeflagge durch den Unionjack ergänzt. Der Plan ging auf. Für die Hannoveraner Händler ergaben sich in der Folge lukrative Geschäftsmöglichkeiten in den britischen Gebieten. Ab 1815 konnten auch ostfriesische Schiffe auf dieses Privileg zurückgreifen, als Ostfriesland, in Folge des Wiener Kongresses, Hannover zugesprochen wurde.

 

 

 

 

 

Somit ist geklärt wie beide Symbole zueinander kamen. Allerdings handelt es sich bei der Flagge aus dem Ostfriesischen Landesmuseum Emden nicht um eine Seeflagge in der beschriebenen Form. Vielmehr ist es ein Ausschnitt daraus. Den Bereich an der oberen Ecke der Mastseite nennt man Gösch, und sie wird mitunter als eine eigene Flagge verwendet. Heute wird die Gösch von Kriegsschiffen zu repräsentativen Zwecken am Bug gehisst. Hannover verfügte zu der Zeit allerdings über keine Kriegsschiffe. Welche Funktion erfüllte die Flagge dann?
Einen Hinweis darauf findet sich in dem Buch Historischer Geschichtsblätter von 1935: Demnach hatte die Gösch auch eine funktionelle Bedeutung:
An der ostfriesischen Küste war es ebenso wie in Großbritannien und den Vereinigten Staaten Sitte, als Zeichen, dass man einen Lotsen wünsche, die Gösch der Kriegsschiffe zu setzen.
Handelt es sich bei der Flagge also um eine frühe Lotsenflagge? Vieles spricht dafür. Die Entwicklung der Lotsenflagge verlief in mehreren Stufen. Dabei folgten die Hannoveraner ebenso wie andere seefahrende Nationen dem britischen Vorbild. Ursprünglich wurde zum Rufen eines Lotsen eine weiße Flagge gehisst. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde es üblich, dafür die Gösch zu hissen. Die britische Marineleitung war damit allerdings nicht einverstanden. Die Gösch sollte für die Kriegsschiffe reserviert bleiben. Daher wurde eine dritte Variante, eine Kombination aus weißer Flagge und Gösch eingeführt.
Es ist anzunehmen, dass die Flagge aus dem Ostfriesischen Landesmuseum Emden die ersten beiden Entwicklungsstufen der Lotsenflaggen beschreibt. Die Flagge war ursprünglich weiß. Sie wurde vermutlich erst nachträglich mit dem Union Jack und dem Sachsenross bemalt, um sich den neuen Gepflogenheiten anzupassen. In beiden Varianten konnte sie zu den jeweiligen Zeiten als Lotsenflagge gedient haben. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass es sich um eine frühe Lotsenflagge handelt. Vermutlich endete ihr Dienst 1855, als der Union Jack mit weißem Rand eingeführt wurde.

Christian Röben M. A.