NETZWERKPARTNER

Emden ist erste Reformationsstadt Europas

Ostfriesisches Landesmuseum Emden
Brückstraße 1 | 26725 Emden
Tel.: +49 (0)4921 - 87 20 50

Öffnungszeiten:
Di - So: 10:00-17:00 Uhr
Mo geschlossen sowie an Karfreitag, 24.12., 25.12. + 31.12. + 1.1.
Ostermontag, Pfingstmontag und am 26.12. geöffnet

UNSERE NÄCHSTEN VERANSTALTUNGEN

FREITAGS, 15:30 - 17:00 UHR
KIDS IN!
Programm für kreative Köpfe von 6 bis 10 Jahre

09 Uhr, 11 Uhr, 13 Uhr, 15 Uhr, 17 Uhr, 19 Uhr, 21 Uhr
Emder Glockenspiel
gespielt von Michael Schunk

KUNSTWERK DES MONATS MAI 2001 (2)

Photographien und Postkarten der Emder Gasthauskirche

Photographien von Edmund Risse, einem unbekannten Photographen, Georg Fokuhl, Walter Brunke und Otto Rink illustrieren die Geschichte und das Ende der Gasthauskirche, die in Faldern an der Kleinen Brückstraße stand.

Der Hofphotograph Edmund Risse photographierte 1878 die Gasthauskirche vom Rathaus aus. Man sieht über die Häuser bzw. Dächer der Kleinen Brückstraße hinweg in einiger Entfernung die Neue Kirche und das im Bau befindliche Post- und Telegraphenamt. Die gotische Kirche, die zu einem ehemaligen Franziskanerkloster gehörte, bildete ein Bauensemble mit dem daneben liegenden Rathaus. Sie war am 19. Mai 1317 gestiftet worden und wurde wohl im gleichen Jahr auf dem Ort Walburgeharcha, einer damals unbebauten Halbinsel zwischen Emden und Faldern, zunächst als einschiffige Kirche von etwa 22 Meter Länge und 12 Meter Breite errichtet, wie Ausschachtungsarbeiten aus dem Jahre 1937 vermuten ließen. Das Kloster und die Kirche wurden fast ein Jahrhundert nach der Gründung des Franziskanerordens erbaut und später in verschiedenen Bauphasen mehrfach unter anderem mit einem nördlichen Seitenschiff erweitert, bis sie sich laut dem ehemaligen Museumsleiter Dr. Carl Louis Ende des 14. oder Anfang des 15. Jahrhunderts in ihrem im großen und ganzen endgültigen Zustand präsentierten.
Der Dachreiter der Kirche ragte hoch über die Hausdächer hinaus. Der Bau der Gasthauskirche schmiegte sich eng an die umliegenden Häuser, so dass ein Photograph das ganze Gebäude nicht von der Kleinen Brückstraße aus ganz im Bilde erfassen konnte, deshalb wählte der Hofphotograph Edmund Risse auch den erhöhten Standpunkt auf dem Rathaus. Risse gibt die bestimmende Wirkung der Kirche, eines Wahrzeichens der Stadt, im Häusermeer wieder.
Das Detail der Gasthauskirche von einem unbekannten Photographen zeigt den Nordeingang in der Kleinen Brückstraße mit der zweiflügeligen Holztür. Die Photographie wurde als Postkarte von Cramers Kunstanstalt aus Dortmund vertrieben. Die Pilaster aus Bossenquadern und Backsteinen tragen auf ihren Kapitellen einen Tudorbogen mit einem Schlussstein, der als groteske Blattmaske ausgebildet ist.
Im Fries des Gesimses erscheint die Inschrift: Anno 1621. Die Volutenstaffel wird von einen Dreiecksgiebel bekrönt. Im Giebeldreieck erscheint ein kleiner geflügelter Engelskopf. Die Holztür ist ebenfalls durch Pilaster und Rundbogen über einer Sockelzone und einem Fries mit aufsitzendem Dreiecksgiebel gegliedert. Der Emder Optiker und Photograph Georg Fokuhl wählte das spektakuläre Motiv des Brands der Gasthauskirche für eine Photoserie.
Zwei der Photos wurden im Blatt der Ostfriesen (Nr. 1194 und 1197) und zwei in der Ostfriesischen Tageszeitung (Nr. 1193 und 1197) veröffentlicht. Die OTZ brachte die Schlagzeilen „Über 600 Jahre – Wahrzeichen an der Emsmündung. Emder Gasthauskirche eingeäschert“ und „Feuersbrunst in Emden. Einzigartiges Baudenkmal der Seehafenstadt vernichtet“.
Photos von Unglücksfällen und Katastrophen haben die Photographen und die Öffentlichkeit schon seit den Anfängen der Photographie fasziniert. Der Brand der Gasthauskirche mit den aufsehenerregenden Bildern füllte tagelang die Schlagzeilen. Um die Mittagszeit am Donnerstag, den 21. Juli 1938, brannte die Gasthauskirche unter starker Rauchentwicklung binnen einer Stunde bis auf die Außenmauern nieder. Fokuhl hat diesen Brand in einigen Bildern festgehalten.
Umstehende Gebäude drohten ebenfalls ein Opfer der Flammen zu werden und einige Dachstühle in der Kleinen Brückstraße brannten aus. Zwei Photographien des Kirchenturms inmitten von dichten Qualmwolken zeigen die Gefahr, die vom Einsturz des Turmes ausging. Auf der zweiten Hochformatsaufnahme mit dem Turmmotiv haben die lodernden Flammen den Turm bereits bis auf das Gerüst verbrannt und der Turm kippt zur Seite. Der Turm fiel schließlich um 13.16 Uhr, wie der Reporter der OTZ berichtet, in den Hof der Gasthauskirche. Auch der Dachstuhl des Gasthausgebäudes verkohlte. Ebenso wurde die Barockorgel von 1650-60, zerstört. Auch das
nahe Rathaus mit der Rüstkammer war gefährdet. Eine Weitwinkelaufnahme, die von einer Parallelstraße aufgenommen wurde, zeigt eine Gesamtansicht der brennenden Kirche inmitten der dichten Rauchwolken und das angrenzende Rathaus.
Zu der Zeit als sie abbrannte, war die Gasthauskirche das älteste und bedeutendste Baudenkmal der Stadt Emden, das zum großen Teil unverändert erhalten war. 1938, als die Kirche ausbrannte, hatte die reformierte Gemeinde die Gasthauskirche von der Stadt gepachtet. Eine Lötlampe sollte Brandursache gewesen sein und die Staatanwaltschaft in Aurich ermittelte. Später vermutete man, dass die Nationalsozialisten die Brandstifter waren. Bis heute konnte der Vorfall nicht restlos geklärt werden. Zunächst wurden Pläne für den Wiederaufbau in Erwägung gezogen.
Aus dem Fotohaus Walter Brunke in Emden gibt es eine Aufnahme des Brandes im Photoarchiv. Auch sie spricht für das große öffentliche Interesse, das dem Brand der Gasthauskirche entgegengebracht wurde. Die Ansicht ist vergleichbar mit den beiden Photographien des Turmes. Der Turm der Gasthauskirche schaut unter dichten Rauchwolken hervor. Nur eine Ruine blieb von der Brandkatastrophe übrig, die von dem Photographen Otto Rink im Hochformat abgelichtet wurden, bevor die Trümmer im März 1939 endgültig geräumt wurden. Sehr schnell nach dem Brand hatte man festgestellt, dass die Ruine abbruchreif war und sich nicht für einen Wiederaufbau eignete. Otto Rink hat die Ruine der Gasthauskirche gleich nach dem Brand abgelichtet. Das undatierte Photo stammt vermutlich aus dieser Serie. Durch das Seitenschiff eröffnet sich der Durchblick auf das Rathaus. Zwischen den verkohlten Balken und den Trümmern zeugen Reste einiger Spitzbogenfenster von der einstigen Pracht der Kirche.
Otto Rink hatte auch am 15. März 1939 bei den Abbrucharbeiten mit seiner Leica photographiert. Teile der Gasthauskirche wurden schon 1938 geräumt. Rink nahm die Phasen des Abbruchs im Oktober, im Dezember und im März auf. Bauunternehmer Lüppen brach die letzten Häuser Mitte
März ab. Vor dem Seitenschiff mit dem zugemauerten Fenster erhebt sich die Ruine von Haus Schmidt und das abgebrochene Haus des Gemüsehändlers Eggen. Drei Arbeiter im Vordergrund sind mit Schaufeln und Werkzeug mit der Räumung der Trümmer beschäftigt. Ein Karren, der links vorne im Bild eben noch zu sehen ist, dient anscheinend dem Abtransport. Im Hintergrund ist der alte Südflügel des Gasthauses und das Polizeigefängnis zu erkennen.

Karin Ossenberg M. A.