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KUNSTWERK DES MONATS SEPTEMBER 1999

Der Schlag ins Leere

Ein „Deutscher Michel“ – bekleidet mit einem Nachthemd, das ihm bis zu den Knien reicht, und einer Schlafmütze – steht rücklings an einem Baumstamm. Mit der linken Hand hält er sich einen langen Nagel an die Stirn. Mit der anderen, der rechten Hand, in der sich ein Hammer befindet, holt er zum Schlag aus, um den Nagel durch seinen Kopf zu treiben.

A. Paul Weber (1893 Arnstadt / Thüringen – 1980 Groß-Schretstaken / Lauenburg)
Der Schlag ins Leere
1955
Kreide-, Pinsel- und Federlithographie auf Büttenpapier
43,3 x 34,2 cm
Inv.Nr.: GS Stadt 10007

Monogrammiert ist die Lithographie im Bild unten links mit dem Buchstaben „W“. Zum Beweis, dass es sich um einen vom Künstler legitimierten Druck handelt, ist das Blatt rechts unter dem Bild mit Bleistift signiert: „A. Paul Weber“. Ebenfalls mit Bleistift und vom Künstler selbst ausgeführt ist das Objekt am unteren Blattrand links bezeichnet: „CW Der Schlag ins Leere“.
Diese Lithographie entstand 1955, nachdem A. Paul Weber sich bereits 21 Jahre zuvor mit dem Thema beschäftigt hatte. Aus dem Jahr 1934 existiert eine Bleistiftskizze und 1951 schuf der Künstler eine erste lithographische Version. Jene Darstellung zeigt noch nicht den tiefschwarzen Hintergrund, und bei dem „Deutschen Michel“ handelt es sich um eine jüngere und etwas anders gekleidete Person. Der bäuerlich dargestellte „Deutsche Michel“ leitet sich ab von dem Erzengel Michael, der als Schutzpatron des deutschen Volkes gilt.
Bereits seit Beginn des 16. Jahrhunderts ist er der Inbegriff von Einfalt und gutmütiger Schwerfälligkeit. Im allgemeinen trägt der Bauernbursche eine Zipfelmütze und Kniebundhosen. Häufig kommt die Karikatur des Deutschen zum Einsatz, um das Volk auf Missstände hinzuweisen, um es aufzurütteln und aus der Lethargie gegenüber bestehenden Verhältnissen zu reißen. Der unaufgeweckte „Deutsche Michel“ lässt alles mit sich machen, lässt unreflektiert alles über sich ergehen, ohne – auch wenn es ihm an den Kragen geht – aufzumucken. Mit Hilfe der Karikatur soll dem Betrachter oder Leser ein Spiegel vorgehalten werden, dessen Bild ihm unangenehm sein muss. A. Paul Weber geht in seiner Darstellung noch einen Schritt weiter. Seine Arbeiten sind geprägt von beißender Satire und unverhohlener Zeitkritik. Sein Michel ist nicht nur schwerfällig und dümmlich, sondern eine Schlafmütze, die nichts – absolute Leere – im Kopf hat. Wie bereits erwähnt hat Weber zum ersten Mal 1934 eine Skizze dieser Darstellung angefertigt, zu einer Zeit also, als seit einem Jahr die Nationalsozialisten an der Macht waren und mit ihrem Wahnsinn Deutschland in einen – von intellektueller Seite frühzeitig erkannten – Abgrund führten (im übrigen hat A. Paul Weber auch diesen Marsch in den Abgrund bildnerisch festgehalten). Michel – das deutsche Volk – schlug sich „bewusst“ einen todbringenden Nagel durch den Kopf mit der Tolerierung der nationalsozialistischen Politik. Andererseits deutet der Titel des Bildes – Der Schlag ins Leere – an, dass bei Michel – dem deutschen Volk – kein Bewusstsein mehr vorhanden war.
Warum Weber das Thema in den 1950er Jahren erneut aufgriff und zweimal (1951 und 1955) bearbeitete, lässt sich schwer sagen. Vielleicht sind die Lithographien als Reflektion der vergangenen, von einem Großteil der Bevölkerung getragenen Nazi-Zeit zu verstehen, vielleicht war Weber der Meinung, dass das deutsche Volk sechs bzw. zehn Jahre nach Beendigung des Krieges und des Faschismus wieder in seine gefahrbirgende Lethargie zurückverfallen war.

Aiko Schmidt M. A.