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Emden ist erste Reformationsstadt Europas

Ostfriesisches Landesmuseum Emden
Brückstraße 1 | 26725 Emden
Tel.: +49 (0)4921 - 87 20 50

Öffnungszeiten:
Di - So: 10:00-17:00 Uhr
Mo geschlossen sowie an Karfreitag, 24.12., 25.12. + 31.12. + 1.1.
Ostermontag, Pfingstmontag und am 26.12. geöffnet

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Programm für kreative Köpfe von 6 bis 10 Jahre

09 Uhr, 11 Uhr, 13 Uhr, 15 Uhr, 17 Uhr, 19 Uhr, 21 Uhr
Emder Glockenspiel
gespielt von Michael Schunk

KUNSTWERK DES MONATS OKTOBER 2009

Mit doppeltem Boden

In der Abteilung „Fundus“ im Ostfriesischen Landesmuseum Emden ist ein Exemplar eines der verbreitetsten Behältnismöbel früherer Zeit ausgestellt, nämlich eine Truhe. Bei dem Objekt handelt es sich um eine Kastentruhe mit einer Schublade an der Vorderseite und mit flachem Deckel.

Truhe
1642
Eiche, geschnitzt und lackiert
H: 49,0 cm; B: 80,0 cm; T: 49,5 cm
Inv.Nr.: M 2
 

Der innere Bereich der Truhe erweckt bei genauerem Hinsehen besonderes Interesse. Er gliedert sich in zwei große Fächer, deren rechtes wiederum in kleinere unterteilt ist. Mehrere dieser sind an der rechten Seite vom Boden bis unter den oberen Rand übereinander gelagert. Das oberste lässt sich als Beilade bestimmen. Beiladen waren spezifische kleine Fächer in Truhen, deren Deckel beim Öffnen den Deckel der gesamten Truhe stützten.
Neben diesen sehr kleinen Unterteilungen befindet sich im linken Bereich des rechten Faches eine weitere große Einlassung, die den gesamten restlichen Raum einnimmt. Das untere Drittel ist von einem Rand umgeben, auf dem vermutlich ein Brett lagerte, das nun heraus gebrochen ist. Diese Vorrichtung legt den Schluss nahe, dass es sich dabei um ein Geheimfach handelte. In solchen „doppelbödigen“ Fächern wurden besondere Wertsachen oder wichtige Unterlagen aufbewahrt. Zudem sind sie ein typisches Kennzeichen von Truhen, deren Bestimmung sowohl das Aufbewahren als auch das Verbergen war.
Die Truhe besteht aus Eichenholz und ist in Schwalbenschwanztechnik hergestellt. Bei dieser Methode wird auf metallene Elemente vollkommen verzichtet, sondern die Konstruktion geschieht ausschließlich mittels Holzverbindungen. Trotzdem befinden sich an der Truhe Schlösser, Scharniere und Griffe aus Eisen. Diese Elemente haben funktionale Bedeutung, dienen aber auch ästhetischen Zwecken, sind sie doch kunstvoll gearbeitet.
Weitere Ausschmückungen erfährt die Kastentruhe durch geschnitztes Zierwerk. In der Mitte der Frontseite befindet sich ein eingetieftes Schnitzmedaillon mit einem Wappenschild. Umgeben ist dieses Wappen von der geschnitzten Inschrift „ANNO“ (links) „1642“ (rechts), die das Produktionsjahr angibt. Wer die Besitzer waren, bleibt allerdings unklar. Eine Annäherung daran kann man lediglich über den Wert des Möbelstückes wagen. Möbel dieser Art wurden meist bei Tischlern in Auftrag gegeben und nach der jeweiligen Kaufkraft des Kunden gefertigt. Diese bestimmte das Material und die Ausgestaltung. Die bei diesem Exponat verwendete Eiche war zwar ein gängiger, aber doch nicht der preiswerteste Rohstoff. Und auch die Schnitzereien legen in ihrer Erscheinung die Vermutung nahe, dass die Auftraggeber nicht zu den ärmsten Bürgern der Stadt zählten. Zudem zeigt das Geheimfach im Inneren, dass dort nicht nur Textilien oder Lebensmittel verwahrt wurden, sondern auch Wertgegenstände. Es kann angenommen werden, dass die Truhe einstmals Mitgliedern der guten Mittelschicht gehörte.
Die geschnitzten Verzierungen geben aber noch einen Hinweis auf einen weiteren Sachverhalt. Vergleicht man die Ausgestaltung der Truhe mit ebensolchen Gegenständen der benachbarten Regionen, z. B. dem Oldenburger oder dem Emsland, so fällt auf, dass diese völlig anders gearbeitet sind. Truhen aus diesen Gegenden weisen in ihrer Intensität viel mehr und in ihrer Art meist andere Verzierungen auf. So ist die Frontseite dieser vollkommen mit Rosetten oder Kettenfriesen belegt. Sparsame Gestaltung an Möbeln, wie sie unsere Truhe zeigt, findet sich dagegen eher in den Niederlanden. Dies ist einmal mehr ein Zeichen für die enge Verbundenheit von Ostfriesland mit seinem westlichen Nachbarn.

Caroline Schott M. A.