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KUNSTWERK DES MONATS AUGUST 2008 (2)

„Schaudern erregende Begebenheit welche sich in Folge einer am Bord der Amerikanischen Brigg Braganza von Norfolk Capt. Turnleij von Philadelphia nach Genua bestimmt, unter einen Theil der Besatzung ausgebrochenen Meuterei zugetragen, und die von den in Emden gefänglich eingezogenen fünf Matrosen angestiftet worden und mit Handlungen von Grausamkeiten welche an den Capitain und den übrigen Theil der Schiffs Besatzung verübt worden, begleitet gewesen“

Zwei Stunden nach Mitternacht. Mitten auf dem Atlantik. Der Erste Steuermann schlägt Alarm: Die Besatzung meutert!

nach 30.8.1838
Lithografie
39,6 x 32,1 cm
Inv.Nr.: GS Kunst 1317

Kapitän A. F. Turley und der Zweite Steuermann Mr. Moir stürmen augenblicklich in Richtung Deck, um die Situation zu beruhigen. Während der Kapitän ein Entermesser zur Hand hat, besitzt der Zweite Offizier keine Waffe zu seiner Verteidigung. Sie finden den Ersten Steuermann sich auf dem Niedergang in seinem Blut windend, doch es soll ihm gelingen, die rettende Kabine zu erreichen. Als Turley und Moir das Deck entern, werden sie umgehend von den fünf meuternden Besatzungsmitgliedern angegriffen und schnell überwältigt. Der Zweite Steuermann wird über Bord geworfen, hat aber das Glück, einen Tampen fassen und sich wieder an Deck ziehen zu können. Er flüchtet sich, vollkommen außer Gefecht gesetzt, in die Kabine unter Deck. Währenddessen gelingt es den Meuterern, den Kapitän ebenfalls in die See zu werfen. Dann vernageln sie die Kabinentür und die Luke. Damit sperren sie Mrs. Turley, die beiden Steuermänner sowie Mr. G. N. Diehl, den Eigentümer des Schiffes, und seine Ehefrau ein. Das Gesicht des Ersten Steuermanns ist fürchterlich zerschnitten und sein Schädel gebrochen, da er mehrere Schläge mit einem Beil abbekommen hat. Der Zweite Steuermann kann aufgrund von Hieben mit einem Knüppel seinen Arm nicht mehr bewegen. Sechs Stunden nach Ausbruch der Meuterei
werfen die Matrosen eine Planke auf den Lukendeckel am Heck. Die Eingeschlossenen versuchen dagegen zu protestieren, weil sie befürchten zu ersticken. Das ist auch die Absicht der Verbrecher, sollten die Gefangenen sich ihren Forderungen widersetzen. Sie bestehen auf die Herausgabe des Chronometers, des Sextanten, der Seekarten sowie des Schmucks und allen Geldes, das die Menschen in der Kabine besitzen. Mit Hilfe eines Eimers reichen diese das Geforderte durch das Fenster nach oben an Deck. Außerdem müssen sie alle Feuerwaffen ins Wasser werfen. Die Matrosen behaupten, dass sie weder dem Schiffseigentümer noch seiner Frau etwas antun wollen, allerdings sind sie bereit, Mrs. Turley und den Ersten Steuermann über Bord zu werfen.
Am 5. August 1838 fand diese blutige Meuterei an Bord der Brigg „Braganza“ statt, die mit einer Ladung Zucker von St. John’s auf Puerto Rico nach Genua in Italien segelte. Vor Philadelphia (Pennsylvania / USA), dem Heimathafen des Zweimasters, war das Schiff in Seenot geraten, hatte aber nach Reparaturarbeiten am 8. Juli die Fahrt fortsetzen können. Am 7. August, also zwei Tage nach Beginn der Meuterei, bemerkten die Gefangenen Rauch in ihrer Kabine, der von einem Feuer im Laderaum stammte und schnell so dicht wurde, dass das Atmen schwer fiel. Die fünf Matrosen vermuteten noch mehr Wertgegenstände bei den Arretierten, was diese aber verneinten. Nach langer Überzeugungsarbeit löschten die Meuterer das Feuer und der Rauch konnte abziehen. Bis zum 11. August geschahen keine weiteren Gewaltakte. An diesem Tag aber verkündeten die Seeleute, dass vom Masttop ein Schiff in Sicht wäre. Sie erklärten ihre Bereitschaft, die Eingesperrten im kleinen Beiboot auszusetzen, damit diese das gesichtete Schiff erreichen konnten. Mr. Diehl verhandelte so lange, bis ihnen die Schaluppe mit Proviant für 20 Tage zum Übersetzen überlassen wurde. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die „Braganza“ etwa 350 Seemeilen, knapp 650 Kilometer, von der portugiesischen Küste entfernt. Der Erste Steuermann musste an Bord der Brigg bleiben, während Mrs. und Mr. Diehl, Mrs. Turley, Mr. Moir und der Schiffskoch in der Schaluppe, einem einmastigen Segelboot, lossegeln durften. 25 Stunden später nahm die Besatzung der in Scarborough (North Yorkshire / England) beheimateten und aus Licata (Sizilien) kommenden Brigg „Hebden“ die Ausgesetzten an Bord. Kapitän W. B. Fowler brachte die glücklich Geretteten am 25. August 1838 in Greenock (Westschottland) an Land.
Die Beschreibung der Ereignisse nach dem Bericht von G. N. Diehl findet sich in der 1839 in London herausgegebenen Zeitschrift „The Annual Register, or a view of the history and politics of the year 1838“. Was dort nicht zu erfahren ist, ist das weitere Schicksal der fünf Meuterer und des Ersten Steuermanns.
Heute vor genau 170 Jahren, am 23. August 1838, strandete ein Schiff zwischen Borkum und Juist auf der Sandbank Memmert. Die fünf Matrosen, die nach Emden gebracht wurden, gaben zunächst an, dass es bei dem Wrack um das amerikanische Schiff „Ceres“ handeln würde, das von New Orleans kommend Zucker und Farbenhölzer nach Hamburg bringen sollte. Doch aufgrund von Gerüchten und Verdachtsgründen wurden die Seeleute gerichtlich befragt. Die ersten Untersuchungen ergaben, dass der Kapitän, der Erste Steuermann und drei weitere Besatzungsmitglieder die Brigg nach dem Schiffbruch mit der Schaluppe verlassen hätten. Doch niemand an der ostfriesischen Küste hatte davon Kenntnis bekommen. Der Verdacht, dass ein Verbrechen vorgefallen war, wurde erhärtet, als sich der aus Hamburg gebürtige Matrose John Adams am 31. August 1838 eigenhändig in der Gefängniszelle strangulierte. Das berichtete die „Ostfriesische Zeitung“ in ihrer Ausgabe Nr. 104 am Freitag, den 31. August 1838. Noch am selben Tag erschien eine Beilage zur „Ostfriesischen Zeitung“, in der neuere Erkenntnisse dargebracht wurden. Das gestrandete Schiff war kein anderes gewesen als die „Braganza“, deren Heimathafen mit Norfolk (Virginia / USA) angegeben wurde. Und der Schiffbruch war wohl vorsätzlich herbeigeführt worden. Die vier noch lebenden Matrosen Joseph Verbrügge, James Daweys, Wilhelm Hamburger und Hans Knutsen – die Namen der Inhaftierten sind in einer Akte des Stadtarchivs (Reg. III, 456, p. 38) vermerkt – gaben zu, dass sie sowohl den Kapitän als auch den Ersten Steuermann über Bord geworfen hatten. Scheinbar war A. F. Turley vor dem Wurf in den Atlantik bereits umgebracht worden, so zumindest vermittelt es eine Lithografie, die wie eine Moritatentafel mit erläuterndem Text das Geschehen wiedergibt. Am Dienstag, den 4. September 1838 konnte die „Ostfriesische Zeitung“ in ihrer Ausgabe Nr. 106 mitteilen, dass – wie wir bereits wissen – die fünf ausgesetzten Personen glücklicherweise von der „Hebden“ aufgenommen und nach Schottland gebracht worden waren.
Das grafische Blatt mit dem Titel „Schaudern erregende Begebenheit welche sich in Folge einer am Bord der Amerikanischen Brigg Braganza von Norfolk Capt. Turnleij von Philadelphia nach Genua bestimmt, unter einen Theil der Besatzung ausgebrochenen Meuterei zugetragen, und die von den in Emden gefänglich eingezogenen fünf Matrosen angestiftet worden und mit Handlungen von Grausamkeiten welche an den Capitain und den übrigen Theil der Schiffs Besatzung verübt worden, begleitet gewesen“ ist leider weder datiert noch signiert, dürfte aber vermutlich in Emden gedruckt worden sein. Hinweis darauf gibt die Schreibweise der Namen des Kapitäns und des Schiffseigners: Sowohl in der in Emden herausgegebenen „Ostfriesischen Zeitung“ als auch auf der Grafik werden der Kapitän Turnley bzw. Turnleij anstatt richtig Turley und der Schiffseigner Deal statt richtig Diehl genannt.
In sechs nicht sonderlich künstlerisch gestalteten Bildern ist das oben beschriebene Geschehen dargestellt. Links oben gehen acht Männer, von denen einer am Boden liegt, zum Teil mit Waffen in den Händen, an Deck eines Segelschiffes aufeinander los. Links beobachtet eine Frau den Tumult, eine zweite wendet sich von dem Geschehen ab und rechts rennt ein Mann fort. Damit sind entgegen dem Bericht von G. N. Diehl nahezu alle auf dem Schiff befindlichen Personen zur selben Zeit an Deck. Es fehlt nur der Schiffskoch, der – wie die „Ostfriesische Zeitung“ am 31. August 1838 und die grafische Darstellung besonders betonen – ein Afroamerikaner war. Erklärt wird das Bild mit den Worten „Ausbruch der Meuterei / auf dem / Atlantischen Ocean.“
Links in der Mitte wird ein Mann – der Zweite Steuermann – am Heck des Segelschiffe über Bord geworfen, während sich bereits ein Mann – die Leiche des Kapitäns – im stark bewegten Wasser befindet. Ein weiterer Mann – wohl der Erste Steuermann – wird mit einer an seinen Kopf gehaltenen Pistole in Schach gehalten. Der Untertitel lautet: „Ueberbordwerfen / des ermordeten Capitains / und des Steuermanns“.
Links unten entfernt sich ein mit drei Männern – einer von ihnen dunkelhäutig – und zwei Frauen voll besetztes Beiboot unter Segeln von dem zweimastigen Segelschiff. Die Szene ist unterschrieben mit „Aussetzung des Schiffseigners Deal / nebst Gemahlin, der Frau des Schiffs= / Capitains, des 2ten Steuermanns und des Kochs, (ein Neger) in dem grossen Boote.“
Rechts oben ist das zweimastige Schiff unter vollen Segeln – zur Hälfte von drei Dünen verdeckt – auf einen Strand bzw. eine Sandbank aufgelaufen, während im Vordergrund Wellen ans Ufer branden. Die Erklärung ergibt sich aus dem Satz „Vorsätzliche Strandung des Schiffs Braganca / auf den Memmert bei / BORKUM.“
Rechts in der Mitte hat in Landnähe – im Hintergrund erheben sich Dünen oder Berge aus dem Wasser – ein Ruderboot [sic!] mit drei Männer und zwei Frauen am Heck eines Segelschiffes festgemacht, von dem eine Strickleiter herunter hängt, um die Personen an Bord zu holen. Es handelt sich um die „Aufnahme / der ausgesetzten Schifsbesatzung / am Bord des Schiffs HEBDEN / Capt: Fowler von Licata nach / Greenock bestimmt“.
Rechts unten befinden sich drei angekettete Männer – zwei sitzend, einer stehend – in einem von Säulen getragenen Raum, während ein vierter Mann am Hals aufgehängt ist. Das Fehlen des fünften Meuterers wird unter dem Bild mit den Sätzen „Die Deliquenten im Gefängnisse / einer hat sich selbst erhenkt. / der Schiffsjunge geht frei umher.“ erklärt.

Aiko Schmidt M. A.