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Ostfriesisches Landesmuseum Emden
Brückstraße 1 | 26725 Emden
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Öffnungszeiten:
Di - So: 10:00-17:00 Uhr
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KUNSTWERK DES MONATS APRIL 2007

Blick auf die Natur

Im Frühjahr erleben wir die Natur mit besonderer Aufmerksamkeit, wächst, sprießt und blüht es doch allerorten. So mag dies die passende Jahreszeit sein, um auf ein besonderes Naturstilleben im Ostfriesischen Landesmuseum Emden aufmerksam zu machen.

Rachel Ruysch (1664 Amsterdam – 1750 Amsterdam)
Kohlpflanze
1704
Öl auf Leinwand
63,0 x 52,5 cm
Inv.Nr.: OLM 44

Schon im 16. Jahrhundert begann man, die Natur nicht nur als göttliche Schöpfung zu bewundern, sondern sie mit naturwissenschaftlicher Wissbegier zu beobachten und zu klassifizieren. Gelehrte legten Naturaliensammlungen an und verfassten naturwissenschaftliche Bücher, für die angesehene Maler und Zeichner bis heute bewunderte Illustrationen schufen.
Das Interesse an Botanik und Zoologie gewann bald weitreichenden Einfluss auch auf die bildende Kunst. Blumenstilleben wurden ein beliebtes Genre. Man schilderte seltene Pflanzen und Tiere und suchte in ihrer Zusammenstellung zugleich über die Natur hinauszugehen, indem man kombinierte, was etwa jahreszeitlich nicht zusammen blühte. (Der schon im 17. Jahrhundert gelegentlich verwendete Begriff „stilleven“ bezeichnet, dass es um nach der Natur (also nach dem Leben) gemalte, unbewegte (stille) Dinge geht, die nach damaliger Auffassung so getreu wie möglich wiederzugeben waren.)
Bald kamen neue Bildtypen auf, die das immer breiter werdende naturwissenschaftliche Interesse spiegelten. Zu diesen gehört das im mittleren 17. Jahrhundert als eine spezielle Spielart des Blumenstücks entwickelte sogenannte Waldbodenstilleben, in dem Pflanzen und Tiere in einer scheinbar natürlichen Umgebung vor Augen gebracht sind. Im Museum ist ein besonders schönes Beispiel dafür aus dem frühen 18. Jahrhundert zu betrachten. Wie die Signatur oben links verrät, malte es 1704 Rachel Ruysch.
Schauen wir das im Format gar nicht große, doch in seiner Gestaltung sehr reiche Gemälde genauer an: Wie durch einen plötzlichen Lichtschein erhellt, erblickt man im Zentrum der asymmetrisch aufgebauten Komposition einen ausgewachsenen Wirsingkohl, ein damals eben erst aus dem Mittelmeerraum bekannt gewordenes Gemüse. In einer Vielzahl von Grüntönen sind seine gekräuselten Blätter mit malerischer Zartheit und doch präzise in allen ihren Eigenheiten geschildert, dabei von oben wie von unten und von der Seite gegeben. Man nimmt auch bereits erste Braunverfärbungen an den Enden der äußeren Blätter wahr. Dazu umgibt die Pflanze ein geheimnisvoll anmutendes Dunkel, in dem man links eben noch einen knorrigen Baum ausmachen kann.
Lichtführung und Farbakzente lassen die Aufmerksamkeit des Betrachters immer wieder über den Wirsing gleiten, um den herum man weitere Pflanzen und Tiere wahrnimmt. Dicht vor dem Kohl sind einige Lamellenpilze zu sehen, deren dunkelrote Hüte bereits zu brechen beginnen. Vor ihnen ist eine Eidechse platziert. Auf einem Kohlblatt kriechen zwei Schnecken; neben ihnen entdeckt man klare Wassertropfen. Bald bemerkt man Insekten wie Langfühlerschrecken und Grashüpfer. Auch Schmetterlinge und ein Käfer scheinen sich auf der Pflanze niederlassen zu wollen.
Für den naturwissenschaftlich gebildeten Zeitgenossen kam es bei solchen Stilleben auf eine exakte Schilderung der in dieser Zusammenstellung und Deutlichkeit sonst nicht beobachtbaren Natur an. An den Stilleben im allgemeinen bewunderte man die Fähigkeit des Malers zur Naturnachahmung und schätzte sie als ästhetische Kunstwerke für ihren damit verbundenen dekorativen Wert. Und da die hier wie in einem Mikrokosmos zusammengeführten Pflanzen und Tiere damals noch mit symbolischen Bedeutungen verbunden waren, konnten gebildete Zeitgenossen sie über das Gegenständliche hinaus auch noch christologisch ausdeuten.
Rachel Ruysch wurde 1664 in Amsterdam geboren und starb dort 1750. Ihr Vater, Frederik Ruysch (1638 – 1731), war einer der angesehensten Anatomen und Insektenforscher seiner Zeit, seit 1685 Professor für Botanik in Amsterdam und Direktor des Botanischen Gartens. So hatte Rachel Ruysch schon früh alle Gelegenheit zum genauen Beobachten und Zeichnen seltenster Pflanzen und Tiere. Ihre „Spezialität“ wurden duftig gemalte, volle Blumensträuße in der Tradition ihres Lehrers Willem van Aelst (1627 – um 1683) und eben Waldbodenstilleben. Dieses erst von dem Amsterdamer Maler Otto Marseus van Schrieck (1620 – 1678) begründete Genre führte sie mit künstlerischer Eigenständigkeit fort. Rachel Ruysch wurde bald die wohl berühmteste und bestbezahlte Stillebenmalerin Amsterdams, wo sie tätig blieb, auch als Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz (gest. 1716) sie 1708 zum Zeichen seiner Anerkennung zur Hofmalerin ernannte.
Das Gemälde kam 1846 als Vermächtnis des Emder Senators Claas Tholen in die Sammlung der „Gesellschaft für bildende Kunst vaterländische Altertümer“. Seinen neuen Zierrahmen verdankt es der Aktion „Paten retten Museumsschätze“ 2005.

Dr. Annette Kanzenbach