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KUNSTWERK DES MONATS AUGUST 2004 (2)

Das französische Zündnadelgewehr Chassepot M 1866

Nachdem im letzten Artikel ein deutsches Zündnadelgewehr des Konstrukteurs Johann Nikolaus von Dreyse vorgestellt wurde, steht heute die Konstruktion von des Franzosen Antoine Alphonse Chassepot (1833 – 1905) im Mittelpunkt.

Chassepotgewehr M 1866
1866
Holz, Eisen
Länge: 189,0 cm; Kaliber: 11 mm; Gewicht: 3,8 kg
Inv.Nr.: RK 18

Die Franzosen hatten die Vorteile des preußischen Hinterladergewehrs bereits im Krieg gegen Dänemark 1864 und im Feldzug gegen Österreich 1866 beobachtet und selbst ein entsprechendes Modell entwickelt. Vom Leiter des französischen Artilleriearsenals A. Alphonse Chassepot wurde 1866 eine verbesserte Zündnadelwaffe, das Model M 1866, bekannter als „Chassepotgewehr“, eingeführt. Mit einer Länge von 189 cm inklusive Bajonett war mit 3,8 kg leichter, hatte einen besseren Verschluss, ein kleineres Kaliber (11 mm) und damit eine größere Schussweit von 1300 m, leichtere Munition und bessere Trefffähigkeit.
Unser Gewehr (Inv.Nr.: RK 18) ist auf dem Schloss und Lauf mit dem Stempel „F. 7.39214“, auf dem Lauf und der Visiereinrichtung mit diversen Abnahmestempel gekennzeichnet. Auch dieses Gewehr gelangte durch die im letzten Artikel genannte Schenkung von Kaiser Wilhelm I. 1872 aus dem Artilleriedepot Mainz zusammen mit 36 weiteren, überwiegend französischen Beutewaffen in den Bestand der Emder Rüstkammer.
Auch diese Gewehr bewies schnell seine Überlegenheit gegenüber den herkömmlichen Vorderladern. Seine erste Bewährungsprobe erhielt es im italienischen Unabhängigkeitskrieg. Die Zeitung „Monitor“ vom 10. November 1867 veröffentlichte eine Depesche zum Sieg der französischen und päpstlichen Truppen über die Armee Garibaldis bei Mentana (3. November): „Nous fusils Chassepot ont fait merveille.“ Unsere Chassepot(-Gewehre) bewirkten Wunder.“ Aufgrund dieses „Wunders“ waren auf italienischer Seite 600 Gefallene zu beklagen.
Legendär wurde die Waffe im deutsch französischen Krieg von 1870/71. In zwei für beide Teile außerordentlich verlustreichen Schlachten bei Vionville / Mars-la-Tour und bei Gravelotte / St.-Privat wurden die französischen Truppen eingeschlossen. Ihre Ausbruchsversuche am 16. und 18. August 1870 wurden unter großen Verlusten der deutschen Truppen abgeschlagen. Auf deutscher Seite gab es 36.000 Tote und Verwundete, auf französischer Seite 29.000 Mann. Bei der Erstürmung von St. Privat verloren die fünf am meisten beteiligten Regimenter innerhalb von zwei Stunden fast alle Offiziere und ein Drittel der Mannschaften. Berühmt wurde die preußischen Brigade Bredow mit ihren todesmutigen Reiterangriffen.
Die großen Verluste der Deutschen waren auf die größere Schussweite des französischen Chassepot-Gewehrs zurückzuführen, dem dazu das deutsche Vorgehen in Kompaniekolonnen noch nicht angepasst war. An beiden Gefechten war übrigens das Ostfriesische Infanterieregiment 78 mit seinen Heimatstandorten Emden und Aurich maßgeblich beteiligt. Ehrentafeln in vielen ostfriesischen Kirchen führen die Namen dieser Gefallenen.
Die Zündnadelgewehre beendete die Rolle der Kavallerie als Angriffswaffe. Stürmische, z.T. schlachtentscheidende Massenangriffe gehörten nach den Erfahrungen des verlustreichen „Todesritts“ der Preußen bei Mars-la-Tour der Vergangenheit an. Auch die Argumente gegen Zündnadelgewehre wie zu hoher Munitionsverbrauch, da die Soldaten bereits schießen würden, wenn der Feind noch sehr weit entfernt wäre und zu starke Abnutzung der Gewehre waren durch die Vorteile des Einsatzes im Liegen, der größeren Deckung und der größeren Reichweite entkräftet. In dieser Änderung der Taktik, dem Verlust der schlachtentscheidenden Rolle der Kavallerie aufgrund der ingenieurtechnischen Leistungen von Dreyse und Chassepot zeichnete sich das neue Jahrhundert ab, dass im I. Weltkrieg, dem „industrialisierten, maschinisierten Krieg“ seinen ersten Meilenstein fand.

Dr. Wolfgang Jahn