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Emden ist erste Reformationsstadt Europas

Ostfriesisches Landesmuseum Emden
Brückstraße 1 | 26725 Emden
Tel.: +49 (0)4921 - 87 20 50

Öffnungszeiten:
Di - So: 10:00-17:00 Uhr
Mo geschlossen sowie an Karfreitag, 24.12., 25.12. + 31.12. + 1.1.
Ostermontag, Pfingstmontag und am 26.12. geöffnet

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Programm für kreative Köpfe von 6 bis 10 Jahre

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Emder Glockenspiel
gespielt von Michael Schunk

KUNSTWERK DES MONATS MÄRZ 2004 (1)

Richtschwert

Im Emden des 17. Jahrhunderts ist die öffentliche Hinrichtung nicht an der Tagesordnung, aber Teil des öffentlichen Lebens.

Richtschwert
Peter Munich, Solingen
1610 – 1650
Eisen, Messing
Länge: 83,0 cm; Breite: 6,5 cm; Gewicht: 2,72 kg
Inv.Nr.: RK 356

Eine besondere Form bleibt jedoch die Hinrichtung mit dem Schwert. So fragt der Richter den Verurteilten, willst du bei den Worten bleiben, die dir vorgelesen wurden? Ist die Antwort Ja, so spricht der Richter zum Henker: Ich befehle dir, dass du ihm Recht und kein Unrecht tust. Darauf antwortet der Henker: Die Herren wollen dir gnädig sein und dir das Schwert geben. So verurteilt man in diesen Ländern (Ostfriesisches Landrecht). Der Verurteilte wird auf den Richtplatz des Neuen Marktes geführt. Er kniet mit leicht geneigtem Haupt nieder. Seine Hände sind nach vorn gefesselt, in die ein Kreuz gelegt wird. Die Augen sind mit einem Tuch verbunden. Und nun waltet der Scharfrichter seines Amtes...
So verwundert es nicht, dass das Richtschwert eigentlich keine Waffe ist, sondern als Werkzeug diente. Es hat zwar alle Bestandteile eines Schwertes, diese haben jedoch eine andere Funktion oder Gestaltung.
Ein ganz besonderes Exemplar dieser Art befindet sich in der Emder Rüstkammer. Dieses Richtschwert hat eine 83 cm lange Klinge, die sich gegen das Ende abflacht. Es wiegt 2700 g.
Der Griff, der bei einem Richtschwert so lang ist, dass er mit beiden Händen gefasst werden kann, besteht aus Messing. Aus dem selben Material ist auch die gerade Parierstange gefertigt. Ihre Enden sind mit Löwenköpfen verziert.
Die Parierstange eines Schwertes dient dazu, Attacken des Gegners abzuwehren und den Halt des Schwertes in der Hand zu gewährleisten. Bei einem Richtschwert hingegen hat sie keine Funktion, da es nicht im Kampf eingesetzt wird. Der Knauf hat die Gestalt eines bärtigen Türkenkopfes, welcher durchlocht ist, um das Hindurchziehen eines Handriemens zu ermöglichen. Die Scheide besteht aus Holz und ist mit geschwärztem Leder überzogen. An den Beschlägen ist wieder der Türkenkopf zu finden.
Auf beiden Seiten der Klinge sind der Name des Schmiedes, PETER MUNICH IHN SOLINGEN, und seine Marke, der Bischofskopf, eingeschlagen. In Solingen sind in der Mitte des 17. Jahrhunderts zwei Klingenschmiede dieses Namens, wahrscheinlich Vater und Sohn, nachweisbar. Der jüngere von beiden ist um 1649/50 außerdem Bürgermeister der Stadt Solingen gewesen. Die Klingenschmiede Munich fertigte kräftige, aber trotzdem leichte und handliche Klingen aus hochwertigem Stahl. Aus diesem Grund ließ dort auch die Stadt Emden ein Schwert fertigen.
Dennoch fallen am Schwert einige Unstimmigkeiten auf. Zum einen passt die Klinge nicht genau in die Scheide hinein und zum anderen sitzt der Knauf nicht genau in der Achse des Griffes. Dies deutet darauf hin, dass die Teile des Schwertes erst zu einem späteren Zeitpunkt in seiner heutigen Form zusammengesetzt wurde. Eine mögliche Erklärung könnte die aufkommende Türkenmode der damaligen Zeit sein. Wodurch aus dem einstigen Richtinstrument ein Prunkstück gemacht wurde.
Der Delfsyler Vertrag 1595, der die Selbstverwaltung der Stadt anerkannte, bestimmt in Kapitel 23, dass der Vollzug der Todesstrafe zwar bei den Grafen lag, aber die Richtschwerter im Rathaus der Stadt aufbewahrt wurden.
Dort waren sie in einem Wandschrank im großen Ratssaal aufbewahrt als Zeichen für den der Stadt zustehenden Blutbann. Für jedermann nicht nur sichtbar, sondern auch Abschreckung und Warnung zugleich.
Zur Zeit wird dieses Symbol der einst hohen Machtbefugnis der Stadt Emden in den Pelzerhäusern im Rahmen der Ausstellung „Verborgene Schätze – Ausgewählte Originale des Stadtarchivs aus fünf Jahrhunderten“ gezeigt.

Martina Schulze M. A.