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Ostfriesisches Landesmuseum Emden
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KUNSTWERK DES MONATS APRIL 2003 (2)

Der romanische Taufstein von Marienwehr

In der Abteilung „Hochmittelalter“ des Ostfriesischen Landesmuseums | Emder Rüstkammer bestimmt neben den romanischen Steinmetzearbeiten aus verschiedenen ostfriesischen Kirchen der Taufstein von Marienwehr den Eindruck des Raumes.

Der romanische Taufstein von Marienwehr
um 1250
Bentheimer Sandstein
89,0 x 88,0 cm; Beckentiefe: 34,0 cm
Inv.Nr. Pl 1

Im Jahre 1877 wurde die Kirchengemeinde Marienwehr mit Suurhusen vereinigt und der Taufstein der abgebrochenen Kirche gelangte im gleichen Jahr als Schenkung an die Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer.
Bei dem Taufstein von Marienwehr handelt es sich um eine Sandsteintaufe des Bentheimer Typs. Einher gehend mit der regen Kirchenbautätigkeit in Ostfriesland im 12., vor allem aber im 13. Jahrhundert, gelangten diese importierten Taufen aus sog. „Bentheimer Sandstein“ in den ostfriesischen Küstenraum. In Ostfriesland lassen sich 37 Taufsteine des Bentheimer Typs nachweisen.
Der aus den Sandsteingruben von Bentheim-Gildehaus gewonnene quarzgebundene Sandstein ist wetterbeständig und leicht zu behauen. Die Taufen dieses Sandsteintyps weisen im wesentlichen die gleichen Form auf und sind in dem Zeitraum zwischen 1180 und 1270 angefertigt worden. Es wird angenommen, dass kundige Benediktiner (vielleicht aus dem Kloster Werden) die ersten Steinmetzewerkstätten betrieben und ihr Wissen später an Einheimische weitergaben. Ob es eine oder mehrere Werkstätten gegeben hat, bleibt ungeklärt. Die Proportionen und die nicht lot- und waagerechte Ausarbeitung vermitteln den Eindruck, dass keine geometrischen Hilfsmittel wie Richtscheit und Winkel verwendet wurden.
Aufgrund des hohen Gewichts von mehreren Zentnern und um Beschädigungen beim Transport zu vermeiden, wurden die Taufen auf dem Wasserweg an ihre Bestimmungsorte gebracht. Daher ist es nicht verwunderlich, dass diese Taufen überwiegend in Kirchen anzutreffen sind, die an Wasserläufen liegen.
Die Sandsteintaufe von Marienwehr entspricht dem älteren Bentheimer Typ und wird in die Zeit um 1250 datiert. Der Sockel ist aus einer quadratischen, nach innen schräg ansteigenden Basis (Plinthe) gebildet, aus der sich ein Rundschaft erhebt, der das leicht konische, kreisrunde Becken, die Cuppa, trägt. Sockel und Becken sind durch eine faustdicke Platte, die an den Rändern wulstartig abgerundet ist, verbunden. Unten am Schaft tragen stark stilisierte, zur Innenachse hin orientierte Löwen, die bei geduckter Haltung ihre Köpfe nach hinten wenden, das Taufbecken. Die Löwenköpfe sind in späterer Zeit offensichtlich eingeglättet worden. Die Schwänze ringeln sich über den Rücken. Gemäß der Worte aus 1. Petrus 5,8:„...der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge“, stehen sie als Symbol für die durch die Taufe bezwungenen dämonischen Mächte. Die Löwen finden sich bei fast allen Taufsteinen des Bentheimer Typs und sind je nach Können des Steinmetzes einfach oder eindruckvoll gestaltet. Die vier Löwen als Eckstützen symbolisieren nicht nur die Paradiesflüsse, sondern standen im symbolträchtigen Mittelalter u. a. für den Kreis der Jahreszeiten, die Elemente und die vier Evangelisten.
Um das Taufbecken ziehen sich in einem Abstand von ca. 10 cm drei Wulstringe, die Tauen nachempfunden sind, mit denen die Dauben der früheren Fasstaufen zusammengehalten wurden. Sie dienen zur Begrenzung der umlaufenden Friese und ermöglichen eine deutliche Zoneneinteilung. Im oberen Bereich ist ein mit Halbkreisbögen sich kreuzendes regelmäßiges Blatt- und Bandornament zu erkennen, das durch Voluten überschnitten wird. Zwischen den Bögen befinden sich knospen- bzw. traubenartige, unter den Bögen blattähnliche Ornamente. In der unteren Zone zeichnet sich eine Wellenranke mit palmettenartigen Blätter, die mit gekreuzten und aufgerollten Pflanzengebilden wechseln, ab. Der untere Rand wird durch einen palmettenähnlichen sog. Fächerfries abgegrenzt.
In der schriftlosen Kultur des Mittelalters war die Verwendung von Symbolen der einfachste Weg, Inhalte zu vermitteln. Alle dargestellten Ornamente tragen biblische Aspekte in sich. Das Wellenband im unteren Bereich des Beckens symbolisiert das Auf und Ab des menschlichen Lebens, aber auch das Schwanken zwischen Gut und Böse. Weinblätter und -trauben wurden als Hinweis auf das Abendmahl verstanden und letztendlich als Zeichen der Erlösung gedeutet. Blüten und Knospen waren Symbole für die Vergänglichkeit und das Leben nach dem Tod. Palmzweige galten als Zeichen des Sieges und des Einzugs ins Paradies, die Palmette als Motiv des Lebens.
Die Vertiefung am inneren Beckenrand der Sandsteintaufe macht deutlich, dass hier ursprünglich ein Einsatz aus Blei oder Kupfer in Beckgröße angebracht war. Dieser Einsatz erleichterte den Austausch des Taufwassers, da das Becken über keinen Abfluss verfügte. Um den oft beklagten Missbrauch des Taufwassers für abergläubische Zwecke zu verhindern, waren die Taufen in der Regel verschließbar.

Andreas Kessens M. A.