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KUNSTWERK DES MONATS JULI 2001

„Hebe“ – Frida Scotta

Hebe, die Jugendblüte, einst auch unter dem Namen Ganymeda verehrt, bekleidete unter den olympischen Göttern Griechenlands die Funktion der Mundschenkin.

Friedrich August von Kaulbach (1850 München – 1920 Ohlstadt bei Murnau)
„Hebe“ – Frida Scotta
1897/98
Photodruck
51,4 x 40,4 cm
Inv.Nr.: GS Kunst 531

Ihr oblag es, die himmlischen Wesen mit Ambrosia, der Unsterblichkeit verleihenden Götterspeise, zu erfrischen. Sie war eine Tochter des Zeus und wurde später die Gemahlin ihres Halbbruders Herakles, der als Halbgott zwölf Aufgaben zu erfüllen hatte, um in den Genuß der Unsterblichkeit zu gelangen und in den Olymp aufgenommen zu werden. Hebe repräsentierte die frischen, jungen Kräuter des Frühlings und wurde von den Menschen des antiken Griechenlands in dem ihr gewidmeten Heiligtum in Phlios mit der Niederlegung von Efeuzweigen verehrt, denn diese erhofften sich, wenn schon nicht mit Unsterblichkeit, so zumindest mit lang anhaltender Jugend beschenkt zu werden.
Das Porträt zeigt eine junge Frau mit dunklen, gelockten Haaren, das mit Weinblättern und Trauben geschmückt ist. Ihr sinnlich-träumerischer Blick ist am Betrachter vorbei gerichtet – als schwelge die Göttin in wehmütigen Erinnerungen an längst vergangene Zeiten im archai-schen Hellas. Unterstützt wird dieser Eindruck durch die Mundpartie, die eher melancholisch denn freudig, aber keinesfalls unfreundlich oder gar energisch wirkt. Im Gegensatz zu ihrem natürlich-prunkvollen Kopfschmuck trägt die Dargestellte ein schlichtes, schmuckloses Kleid, das einen Blick auf die Mode der griechischen Antike erlaubt. Doch so sehr man auch glau-ben möchte, daß Friedrich August von Kaulbach, der mythologischen Darstellungen ganz und gar nicht abgeneigt war, schwärmerisch irgendeine junge Frau in der Rolle der griechischen Göttin dargestellt hat – die Wirklichkeit sieht etwas anders aus: von Kaulbach malte (sehr wahrscheinlich) zu Beginn des Jahres 1897 in Pastell das Porträt der 25jährigen dänischen Violinvirtuosin Frida Scotta, die er am 15. Mai des selben Jahres heiratete – nachdem er sich nur wenige Wochen zuvor von seiner ersten Frau Mina nach fast 24 Jahren Ehe hatte scheiden lassen.
Friedrich August von Kaulbach (1850 – 1920), ein Sohn von Friedrich Kaulbach und der Großneffe Wilhelm von Kaulbachs, malte zunächst – beeinflußt durch die seiner Zeit noch mittelalterlich anmutende Stadt Nürnberg – Historienbilder, die Themen und Stile des Mittel-alters und der deutschen Renaissance widerspiegelten. Bekannt oder gar berühmt wurde er seit 1880 allerdings durch die Porträts eleganter und modisch gekleideter Damen der gehobe-nen Gesellschaftsschichten aller Herren Länder. Neben Auftragsarbeiten schaffte von Kaul-bach aber auch eine große Anzahl von Porträts ihm liebgewonnener Frauen, so auch das hier vorgestellte Bildnis, das im Nachhinein die Bezeichnung „Hebe“ erhielt.
Obwohl der Standort ebenso unbekannt ist wie die Bildmaße des Pastellbildes, so existiert zumindest eine Abbildung der Vorlage des hier präsentierten graphischen Blattes, das nach-träglich – wie bereits erwähnt – mit dem Namen der griechischen Göttin der Jugendhaftigkeit bezeichnet worden ist. Die hier präsentierte Reproduktion wurde, um den Anschein von Ori-ginalität und relativer Exklusivität einer Radierung zu erwecken, auf einen Karton mit imitier-tem Plattenrand aufgezogen. Wer im Endeffekt für den Titel des 1898 bei der Photographi-schen Union in München erschienen Photodrucks verantwortlich zu zeichnen hat, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Vielleicht war es von Kaulbach selbst, der seine junge, schöne Frau gerne in dieser Rolle gesehen haben mag. Immerhin war Frida Scotta 21 Jahre jünger als der einstige Direktor (1886 – 1891) der Münchner Akademie der bildenden Künste, und sie könnte durchaus dem Mitt-Vierziger das Gefühl gegeben haben, in einen Jungbrunnen einge-taucht zu sein. Auch das wenige Jahre später entstandene Ölporträt mit dem Titel „Bacchan-tin“, das also eine Anhängerin des für die antike Männerwelt dubiosen Bacchus-Kultes zeigte, weist extreme Ähnlichkeiten mit von Kaulbachs Ehefrau Frida auf. Fast in der selben Art und Weise wie das hier vorgestellte Porträt seiner – zu diesem Zeitpunkt vermutlich – Noch-Geliebten Frida Scotta hat Friedrich August von Kaulbach zwölf Jahre später seine inzwi-schen schon längst angetraute, aber scheinbar nicht gealterte Frau unter dem Titel „Gitarren-spielerin“ einmal mehr porträtiert; wieder trägt die junge Frau einen Kranz von Weinblättern in ihrem Haar und an die antike Mode erinnernde Gewänder. Letztendlich kann man davon ausgehen, daß von Kaulbach – ganz im Sinne seiner Zeit – mit den Porträts ihm vertrauter Damen immer wieder gerne mythologische oder auch allegorische Darstellungen geschaffen hat.

Aiko Schmidt M. A.