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Ostfriesisches Landesmuseum Emden
Brückstraße 1 | 26725 Emden
Tel.: +49 (0)4921 - 87 20 50

Öffnungszeiten:
Di - So: 10:00-17:00 Uhr
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KUNSTWERK DES MONATS NOVEMBER 2000

Senfkanne

Vor wenigen Wochen erhielt das Ostfriesische Landesmuseum die Schenkung eines silbernen Senfgefäßes, gestiftet aus dem Kreise der „Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer“.

Andreas Wychers (1661 Emden – 1730 Emden)
Senfkanne
1706
Silber
13,0 x 10,0 x 7,0 cm
Inv.Nr.: SK 335

Die Neuerwerbung stammt aus der Hand des Emder Goldschmiedemeisters Andreas Wychers und datiert aus dem Jahre 1706. Das barocke Senfkännchen bereichert die museale Sammlung silbernen Tafelgeräts aus dem ostfriesischen Raum um einen bisher noch nicht vorhandenen Gefäßtyp. Anders als Salzstreuer und Gewürzschalen, sind Senfbehälter aus Silber nicht allzu häufig erhalten geblieben. Zu danken ist der Spenderin, die nicht namentlich genannt werden möchte. Ihre großzügige Unterstützung ermöglichte eine erfolgreiche Erwerbung aus dem
Antikhandel, mit der mehr gelang als .nur. ein Kunstkauf: Es gelang, das Werk eines Emder Goldschmieds – des Meisters Andreas Wychers – wieder an den Ort seiner Entstehung und Herkunft zurückzuholen. Das kleine, elegante Senfkännchen war auf nicht mehr nachvollziehbaren Wegen nach Großbritannien gelangt und wurde bei einer Auktion in London angeboten. Über mehrere Stationen im Kunsthandel nahm es den Weg zurück nach Ostfriesland und wurde von Antiquitätenhändler Arians erworben, der das wertvolle Stück schließlich dem Landesmuseum zum Kauf anbieten konnte. Das Kännchen findet nun seine Heimstatt in der Silberkammer des Ostfriesischen Landesmuseums.
Das 146 Gramm schwere Silbergefäß misst 13,0 cm in der Höhe und 4,5 cm im Durchmesser der Gefäßmündung. Es steht auf einem flach gewölbten Fuß mit Zargenrand, über dem sich der runde, glatte Schaft mit Profilring erhebt. Ein getriebenes florales Ornament, bedeckt die Fußwölbung und wiederholt sich weiter oben auf Korpus und Deckel. Der im unteren Drittel gebauchte Gefäßkörper läuft im oberen Teil steilwandig konisch zu. Dabei bildet die glatte Oberfläche der sich verjüngenden Wandung einen reizvollen Kontrast zum floral dekorierten Bauch. Das getriebene, z. T. punzierte Ornament zieht sich in geschwungenen Blattranken vom unteren Ansatz des Henkels nach beiden Seiten kranzförmig um den Korpus herum und enthält jeweils eine Knospe. Die Ranken treffen sich in einer offenen Blüte. Sie befindet sich gegenständig zum Henkel und bildet so die .Vorderansicht. des Gefäßes. Über der Blüte ist eine Gravur aufgebracht, die bislang noch nicht zugeordnet werden konnte. Möglicherweise stellt sie ein Familienwappen dar – allerdings fehlen Kartusche oder Schild, die üblicherweise als Träger des Wappens fungieren. Die Gravur besteht aus Initialen und einer Tierdarstellung: Der kapitale Buchstabe C, dreifach ineinander verschränkt und fasst eine Rosette bildend, wird bekrönt von einer nach links laufenden Wachtel. Die Gravur erscheint nicht zeitgenössisch, sondern wurde später – evtl. im 19. Jahrhundert – aufgebracht. Da sich das Kännchen zeitweise in englischem Besitz befand, ist es möglich, dass Emblem und Initialen aus Großbritannien stammen.
Der Korpusrand des Senfbehälters wird durch umlaufenden Wülste mit Einschnürungen verstärkt. Auf ihm liegt der Deckel mit glattem Zargenring auf. Eine halbmondförmige Aussparung im Ring lässt Platz für den Stiel des Senflöffels. Der Deckel besitzt eine flache Wölbung mit getriebenem floralem Dekor und eine gegossene Kelchknospe, die den Deckelknopf bildet. Als Daumenruhe fungiert ein stilisiertes Rankenwerk mit zwei nach außen gebogenen Dornen. Das Deckelscharnier wurde auf den glatten Bandhenkel aufgelötet. Dieser ist ohrenförmig gebogen und rollt sich an den beiden Enden zu Spiralen ein.
Das Senfkännchen stellt sich in schlichter Eleganz des Frühbarock dar. Art und Darstellung des sehr bewegten floralen Motivs sind für das letzte Drittel des 17. Jahrhunderts typisch und waren nicht an individuelle Goldschmiede oder Werkstätten geknüpft. Der Typus des Senfkännchens ist dem Sahne- oder Milchkännchen sehr ähnlich. Er stellt jedoch nur eine der zahlreichen Gefäßformen dar, die zum Servieren des scharfen Gewürzes geschaffen wurden. Der anfangs recht flüssig gehaltene Senf wurde mit der Zeit immer pastoser hergestellt, und so trat an die Stelle des Ausgusses in der Tüllenkanne ein Deckel mit Aussparung für den Senflöffel. Anhand dieses Deckels kann man – wie bei unserem Emder Kännchen – unzweifelhaft feststellen, dass es sich um ein Senfgefäß handelt. Der aus dem Samen des Senfkohls hergestellte Senf war im Vergleich zu den exotischen Gewürzen ein wohlfeiles Würzmittel und vor allem in den nordischen Ländern beliebt. Bis ins 18. Jahrhundert kam er in zweierlei Form auf den Tisch: als Pulver oder – mit Essig und Most versetzt – als Paste. Für beide Varianten gab es eine Vielzahl unterschiedlicher Gefäßarten. Das Pulver wurde meist in großen Streuern serviert, die den bekannten Zuckerstreubüchsen ähneln. Erst mit der Verfeinerung der Tischsitten im 17. Jahrhundert, trug man die Senfpaste, die schon im Mittelalter ein gebräuchliches Würzmittel war, in Silbergefäßen auf. Da das Edelmetall durch den in der Paste enthaltenen Essig stark angegriffen wurde, erwiesen sie sich jedoch für die Aufbewahrung als wenig geeignet. Man behalf man sich z. T. mit gläsernen Einsätzen, die in die Senfgefäße eingepasst wurden. Zu diesem Zwecke mussten die Gefäßtypen steilwandig sein – die Form des Humpens bot sich an. Andere Behältnisvarianten wiederum zitierten die im Mittelalter verwendeten Holz- oder Steinfässchen, die nun als edle Silbergefäße auf den Tisch kamen.
Der Goldschmied Andreas Wychers, von dessen Hand unser Senfgefäß stammt, war ein Sohn des Andries Meinardi Wychers, der 1644 Meister in Emden wurde. Im Jahre 1661 ist die Taufe des Filius in der hiesigen Stadt nachgewiesen. Das Goldschmiedehandwerk erlernte Wychers nicht beim Vater sondern bei dem bekannten Emder Meister Hindrick Loesinck, dessen Lehrjunge er ab 1675 war. 1687 erhielt er seine Meisterurkunde und stand der Zunft über insgesamt sechs Jahre als Oldermann vor, zuletzt 1715/ 16. Nur wenige Werke von Andreas Wychers sind heute verzeichnet. Neben der Arbeit als Goldschmied diente er der Stadt auch als Leutnant (1698) und Hauptmann (1703) und war ab 1720 Ratsherr. Er starb am 9.1.1730.

Martina Mührmann-Glimme M. A.