NETZWERKPARTNER

Emden ist erste Reformationsstadt Europas

Ostfriesisches Landesmuseum Emden
Brückstraße 1 | 26725 Emden
Tel.: +49 (0)4921 - 87 20 50

Öffnungszeiten:
Di - So: 10:00-17:00 Uhr
Mo geschlossen sowie an Karfreitag, 24.12., 25.12. + 31.12. + 1.1.
Ostermontag, Pfingstmontag und am 26.12. geöffnet

UNSERE NÄCHSTEN VERANSTALTUNGEN

FREITAGS, 15:30 - 17:00 UHR
KIDS IN!
Programm für kreative Köpfe von 6 bis 10 Jahre

09 Uhr, 11 Uhr, 13 Uhr, 15 Uhr, 17 Uhr, 19 Uhr, 21 Uhr
Emder Glockenspiel
gespielt von Michael Schunk

KUNSTWERK DES MONATS MÄRZ 2000 (1)

Nymphe I (Egeria)

Die römische Quellnymphe Egeria war die Geliebte oder Gattin, wie Ovid sie bezeichnet, des Numa Pompilius, der der Legende nach von 716 bis 673 v. Chr. als zweiter König Roms regierte.

Hans Thoma (1839 Bernau – 1924 Karlsruhe)
Nymphe I (Egeria)
1901
Kaltnadelradierung auf Büttenpapier
13,9 x 19,9 cm
Inv.Nr.: GS Stadt 10017

Numa, im Herzen belehrt, so erzählt man, durch solche und andre / Worte, kehrte zur Heimat zurück und ergriff in dem Volke / Latiums, das ihn selbst darum bat, die Zügel der Herrschaft. / Glücklicher Gatte der Nymphe, vom Chor der Camenen geleitet, / hat er die Opferbräuche gelehrt und ein rauhes, zu wilden / Kriegen gewöhntes Geschlecht geführt zu den Künsten des Friedens. / Als er, gealtert, die Zeit seines Lebens und Herrschens vollendet, / weinten Latiums Fraun, das Volk und die Väter um Numas / Tod: seine Gattin hatte die Stadt verlassen und barg sich / tief im dichten Wald des fernen aricischen Tales, / störte durch Klagen und Seufzen die Weihen der taurischen Göttin. / Ach, wie oft ermahnten die Nymphen des Haines, des Sees sie / nicht so zu trauern und gaben ihr tröstende Worte, wie oft sprach / so des Theseus tapferer Sohn zu der Weinenden: „Setze / doch ein Maß und ein Ziel! Ist wert doch der Klage nicht dein Los / einzig. Betrachte das Unglück, das Andere ähnlich getroffen, / leichter trägst Du dann deins. Ich wollte, ich wäre nicht selbst ein / Beispiel zum Trost dir im Schmerz, doch bin auch ich solch ein Beispiel. / […] / Doch eines Anderen Trauer vermag Egerias Schmerz nicht / linder zu machen, nein am Grunde des Wurzeln des Berges / liegend zerfließt sie in Tränen, bis Phoebus´ Schwester vom frommen / Trauern gerührt aus der Trauernden Leib eine kühlende Quelle / schuf und in ewigen Wellen sich ließ verlieren die Glieder. / Dieses Wunder bewegte die Nymphen; der Kriegerin Sohn, er / staunte nicht anders als damals der Pflüger vom Stamm der Tyrrhener, / als er mitten im Feld die schicksalsdeutende Scholle / sah, die von keinem gerückt, zunächst von sich selbst bewegte, / dann die Gestalt eines Menschen gewann, die von Erde verlor, um / zukunftkündend die eben gewordenen Lippen zu öffnen. / (Tages nennen ihn dort die Bewohner, ihn, der als erster / Tusciens Stämme gelehrt, des Schicksals Lauf zu enthüllen.)
(Ovid, Metamorphosen, Buch 15, Zeile 479 – 559. In deutsche Hexameter übertragen von Erich Rösch)

Die römische Quellnymphe Egeria war die Geliebte oder Gattin, wie Ovid sie bezeichnet, des Numa Pompilius, der der Legende nach von 716 bis 673 v. Chr. als zweiter König Roms regierte. Während Romulus, der Gründer der Ewigen Stadt, mit kriegerischen Mitteln die Machtansprüche der jungen Stadt durchsetzte, betrieb Numa Pompilius eine aktive Friedenspolitik. Zur deren Unterstützung stiftete er Priesterkollegien und rief religiöse Riten ins Leben. Häufig weilte Numa an einer Quelle inmitten eines Hains, um dort mit seiner Gemahlin Egeria sein politisches Vorgehen zu beraten. Da sich Egeria an diesem Born auch mit den Kamenen traf, die die Römer den griechischen Musen gleichsetzten, weihte der König das Gewässer diesen italischen Quellgöttinnen. Im Verständnis der Römer, die damit in der Tradition der Griechen standen, waren Quellen heilige Orte, an denen sich Gottheiten aufzuhalten pflegten, und das Sprudeln des Wassers symbolisierte das Wirken der göttlichen Mächte. Die Realität wird wohl so ausgesehen haben, daß Numa sich seine göttliche Beraterin im Geiste erschaffen hat, um seinen politischen und kultischen Reformen den Bürgern Roms gegenüber mehr Gewicht zu verleihen. Nach dem Tode des Numa Pompilius soll – so Ovid – die Nymphe aufgrund ihrer unendlichen Trauer von Diana, der Göttin der Jagd, in eine Quelle verwandelt worden sein.
Hans Thoma (1839 – 1924) bedient sich in seiner Kaltnadelradierung von 1901 eigentlich kaum der mythologischen Überlieferung. Stattdessen stellt er eine junge, attraktive Frau dar, die sich in ihrer liegenden Pose dem Betrachter schon fast aufreizend darbietet. Sie ist nur mit einem locker um die Hüften geschlagenen Tuch bekleidet und nimmt mit der linken Hand die langen, dunklen Haare hinter dem Kopf zusammen. Sie trifft sich weder mit den anderen Quellnymphen, noch unterstützt sie ihren Gemahl bei seinen Regierungsgeschäften, und auch von Trauer ist in ihrem anmutigen Antlitz keine Spur. Eher schüchtern ist ihr Blick nach unten gerichtet, als wolle sie dem Betrachter der erotischen Szene nicht noch mehr ihrerselbst preisgeben.

Aiko Schmidt M. A.