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Emden ist erste Reformationsstadt Europas

Ostfriesisches Landesmuseum Emden
Brückstraße 1 | 26725 Emden
Tel.: +49 (0)4921 - 87 20 50

Öffnungszeiten:
Di - So: 10:00-17:00 Uhr
Mo geschlossen sowie an Karfreitag, 24.12., 25.12. + 31.12. + 1.1.
Ostermontag, Pfingstmontag und am 26.12. geöffnet

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09 Uhr, 11 Uhr, 13 Uhr, 15 Uhr, 17 Uhr, 19 Uhr, 21 Uhr
Emder Glockenspiel
gespielt von Michael Schunk

KUNSTWERK DES MONATS FEBRUAR 2000

Das Signalhorn des Nachtwächters M. Peters

Die kleine Sammlung des Ostfriesischen Landesmuseums an Nachtwächter-Hörnern, -Ratteln und -Waffen ist ein echtes Kleinod, hinter dem sich ein kaum bekanntes Stück Stadtgeschichte verbirgt. Eine Rarität aus diesem „Schatz“ ist das Signalhorn des Nachtwächters M. Peters.

Signalhorn – Nachtwächterhorn
vor 1878
Silber, Messing
105,0 x 16,0 cm
Inv.Nr.: RK 2207

 

Durch seine Inschriften auf Schalltrichter und Mundrohr „Gemeinde Vorsteher Borssum 1878“, „M. Peters“, verrät das Horn schon viel Bedeutendes über seinen Besitzer und die Zeit seiner Aktivität. Die Nachtwächterhörner des 19. Jahrhunderts unterschieden sich kaum von jenen aus früherer Zeit. So anachronistisch wie seine Ausstattung mit längst überkommenen Stangenwaffen, blieb auch das Instrument des Nachtwächters. In der Regel war es schmucklos schlicht. Die gebogene Form und das sich weitende Rohr erinnern an seinen Ursprung: das Tierhorn. Aus Kuh- und Stierhörnern, auch Elefantenstoßzähnen, wurden die ersten Signalhörner hergestellt. Ihr Klang muß schrecklich gewesen sein, da sich mangels Mundstück der Ton nicht modulieren ließ. Im Mittelalter entstand aus diesem Naturinstrument das Heer- oder Harsthorn aus Metall. Mit ihm behält das Nachtwächterhorn bis Ende des 19. Jahrhunderts große Ähnlichkeit. Nur die Herstellung und damit auch sein Klang verbesserten sich wesentlich.
Das gebogene Messingrohr unseres Nachtwächterhorns ist aus mehreren Teilen zusammengesetzt, die ineinander geschoben und durch „Zwingen“ verstärkt sind. Unterscheiden lassen sich das gegossene „Mundstück“, das zylindrisch geformte „Mundrohr“ und der getriebene, weit ausladende „Schalltrichter“, der durch Zackennähte zusammen gepasst ist.
Alle Teile beeinflussen den Klang des Horns. Dabei sind die Abmessungen von Mundrohr und Schalltrichter im Verhältnis zur Gesamtlänge entscheidend. Man nennt dies die „Mensur“ des Instruments und spricht von „weit“ oder „eng“. Alle Hörner besitzen eine weite Mensur, die ihren charakteristischen weichen Klang hervorbringt, ganz im Gegensatz zur Trompete mit enger Mensur und schmetterndem Ton. Die Rohrlänge bestimmt die Tonlage des Horns. Unser Exemplar mit einem Rohr von 105 cm Länge mag eine nicht allzu hohe Lage haben. Das Mundstück, die „Seele“ des Instruments, hat die Form eines Trichters. Seine Wölbung, Tiefe und Bohrung beeinflussen die Klangfarbe. Nicht zuletzt spielen auch die Lippen des Bläsers eine wichtige Rolle. Sie bilden mit dem Mundstück und dem Instrument ein gekoppeltes Schwingungssystem. Beim Blasen in das Mundstück werden die Lippen in periodische Schwingung versetzt und geben diese an die ruhende Luftsäule im Rohr weiter. Durch verschiedene Spannung der Lippen entsteht so die Frequenz für den gewünschten Ton.
Signalhörner sind „Naturhörner“, d. h., man kann auf ihnen nur eine begrenzte, „natürlich“ vorgegebene Tonreihe produzieren, nicht aber die vollständige Tonleiter. Die Möglichkeiten des Melodiespiels sind dadurch sehr eingeschränkt. Nachtwächter Peters konnte auf seinem Horn sicherlich nicht die Psalmen Davids „abblasen“, wie es Kollegen, dem Turmbläser aufgetragen war. Dies war auch nicht seine Aufgabe.
Die Dienste von Nachtwächter und Turmbläser unterschieden sich wesentlich. Nur Letztere galten als sogenannte „musikalische“ Bläser und waren notenkundige, ausgebildete Musiker. Nachtwächter als „nicht Musikalische“ bedienten in der Regel ihr Instrument nur zur Signalgebung bei Gefahr und Brandausbrüchen. Sie hatten in erster Linie für Schutz und Sicherheit der Stadt zu sorgen. Bei seiner Patrouille durch die Straßen bekundete der Nachtwächter seine Wachsamkeit durch Ausrufen der Zeit auf festgelegten „Schreiplätzen“ und Mahnung der Einwohner zur Acht auf ihre Feuerstellen. Seine Route führte ihn entlang der Wachposten auf den Türmen, die er anzurufen hatte, um ihre Aufmerksamkeit zu prüfen. Auch die Verhütung von Verbrechen, mitunter die Festnahme von Straftätern, war seine Aufgabe.
Zwischen ihren Gängen konnten sich die Nachtwächter in einem Wachlokal aufwärmen. In Emden befand sich dieses im Rathausdurchgang. Rätselhaft ist, daß die Stadt bis ins späte 19. Jahrhundert, als der Beruf vielerorts schon ausgestorben war, ungewöhnlich viele, im Jahr 1877 24 Nachtwächter und 15 Stellvertreter, beschäftigte. Einer von ihnen, Herr Peters, hinterließ der Nachwelt sein Werkzeug, das Signalhorn und damit ein materielles Zeugnis dieser Geschichte.

Martina Mührmann M. A.