KUNSTWERK DES MONATS FEBRUAR 2003 (2)

Emden. Neue Kirche

Die Aufnahme zeigt die evangelisch-reformierte Emder Neue Kirche von Nordosten. Die Neue Kirche wurde zwischen 1643 und 1648 vom Architekten, Maler und Ratsherrn Martin Faber errichtet. Da Faber am 13. April 1648, etwa drei Monate nach der Eröffnung der Kirche am 8. Februar 1648, starb, stellt diese sein letztes bedeutendes Werk dar.

Jean Baptiste Feilner
Emden. Neue Kirche
1888
Schwarz-Weiß-Fotografie, auf Karton aufgezogen
10,8 cm x 16,6 cm
Inv.Nr.: FS 185

Den Grundriss der Kirche bildet ein griechisches Kreuz mit stark verkürztem Südflügel. Die Backsteinarchitektur des Baus wird durch Sandsteingesimse und -zierglieder aufgelockert und gegliedert. Die Giebelwände sind alle in gleicher Form durch zwei hohe Rundbogenfenster, ein Rundfenster und eine Blendnische, die in Voluten ausläuft, gegliedert und mit einem kleinen Tympanon gekrönt. Der Zwischenbau im Winkel der Flügel weist ein Portal und drei Rundbogenfenster in der oberen Wandzone auf und wird durch ein Pultdach bedeckt. Über dem Portal ist das Siegel der Gemeinde als Relief angebracht, ein Stadttor aus dem sich Wasser ergießt mit der Umschrift „CHRISTUS IS DE ENIGE STHEN DARUP SYNE GEMENTE RUST AM“ und den Buchstaben E und M an den Seiten. Am Nordflügel der Kirche ist ein polygonaler Treppenturm mit welscher Haube angebaut. Im Schnittpunkt der Dachfirste befindet sich ein schlanker Dachreiter mit offener Laterne und Kaiserkrone.
An der nach dem Vorbild der Amsterdamer Noorderkerk von 1620-23 errichteten Neuen Kirche in Emden läßt sich die reformierte Gottesdienstauffassung deutlich ablesen. Nicht mehr der Altar sollte Mittelpunkt des Interesses sein, sondern die nun zentral an der Südwand aufgestellte Kanzel, der Ort der Verkündigung des Evangeliums. Mit ihrer Bauform hob die Neue Kirche sich deutlich von den mittelalterlichen Kirchenbauten Emdens, der Großen Kirche St. Cosmas und Damian und der Gasthauskirche, ab. Sie ist nicht nur architektonisch, sondern auch theologisch eine Neue Kirche, deren Baukonzeption auch der 1660 bis 1665 erbauten Noorderkerk in Groningen zugrunde lag. Durch die Sonderform einer dreiflügeligen Kirche in Emden wird die zentrale Stellung der Kanzel im Vergleich zu den Kirchen in Amsterdam und Groningen mit der Kanzel an einem der Pfeiler noch verstärkt.
Die Fotografie ist eine der frühesten Aufnahmen der Neuen Kirche. Ab etwa 1880 setzte in Emden die fotografische Dokumentation historischer Bauten wie der Großen Kirche, des Rathauses und eben auch der Neuen Kirche ein. Die Architekturfotografie zählte zu den bevorzugten Arbeitsfeldern früher Fotografen, da hier die zunächst langen Belichtungszeiten kein Hemmnis bildeten. Jean Baptiste Feilner fertigte 1888 neben der vorliegenden Aufnahme eine Ansicht der Neuen Kirche von Westen und eine Ansicht der Großen Kirche. Er hatte in diesem Jahr das 1864 eröffnete Atelier von Bernhard Mateling erworben und führte es bis zum Verkauf an Hermann Wilhelm Mohaupt 1892. Neben dem Emder Atelier besaß Feilner weitere Niederlassungen in Hannover, Bremen, Oldenburg, Braunschweig und auf Borkum. Von seinem Renommee kündet nicht nur sein Titel als „Hofphotograph Sr. Königl. Hoheit d. Erbgroßherzogs v. Oldenburg“, sondern auch die Tatsache, daß Hermann Wilhelm Mohaupt noch 1899 als Nachfolger Feilners firmierte.

Menno Dirks M. A.