KUNSTWERK DES MONATS JULI 2012

Feuersteindolch

Das Kunstwerk des Monats ist ein Dolch aus grauem Feuerstein, der nur auf den zweiten Blick als Waffe erkennbar ist.

Feuersteindolch aus Willmsfeld
Ältere Bronzezeit
L: 15,6 cm; max. B: 3,0 cm
Inv.Nr.: P 152

Feuerstein wird durch seine Härte und Spaltbarkeit schon seit Jahrtausenden zur Herstellung von Werkzeugen genutzt. Das Spektrum reicht von Faustkeilen, Schabern, Kratzern, Sicheln bis zu Waffen in Form von Pfeilspitzen, Messern und eben Dolchen. Feuerstein ist ein unglaublich vielseitig einsetzbares Material. Durch unterschiedliche Schlag und Drucktechniken kann aus einer Rohknolle innerhalb von rund drei Stunden durch handwerkliches Geschick eine gelungene Kopie eines Dolches aus Kupfer oder Bronze entstehen.
Zur Herstellungszeit dieses Dolches, d. h. im Übergang von der Jungsteinzeit zur Bronzezeit vor ca. 3800 Jahren, war Bronze im Norden Europas ein kostbares und seltenes Metall. Aus diesem Grund schufen Handwerker Nachahmungen dieser Art aus günstigem Feuerstein, der im Norden reichlich vorkommt, man denke nur an die Kreidefelsen auf Rügen oder in Dänemark. Ähnliche Imitationen sind bei Beilen und Äxten aus Felsstein zu beobachten, bei denen sogar die Gussnähte der Metallwaffen nachempfunden wurden.
Funde aus Hügelgräbern, in denen Dolche an der Hüfte der Toten liegen, machen eine Tragweise am Gürtel wahrscheinlich und belegen, dass sie tatsächlich als Waffe oder Allzweckmesser benutzt wurden. Ein außergewöhnlicher Fund aus einem Moor in Wiepenkathen, Kreis Stade zeigt einen Dolch mit Holzschäftung und verzierter Lederscheide, sowie einem Trageriemen aus Leder, der um den Dolch gewickelt war. Offensichtlich wurde er als Opfergabe im Moor deponiert. Übrigens trug aus Ötzi, die Gletschermumie einen geschäfteten Dolch, dessen frühe Form der Klinge noch an eine Lanzenspitze erinnert. Die Entwicklung geht dann weiter über schmale Klingen und lanzettförmige Klingen mit einfachem geraden Griff bis zu den prachtvollen Fischschwanzdolchen mit lorbeerförmiger Klinge und ausgeprägter namensgebender Griffform. Die Vorstufe zeigt sich in unserm Dolch. Er ist 15,0 Zentimeter lang und an der Klinge 3,0 Zentimeter breit. Er hat einen geraden Schaft und eine weidenblattförmige Klinge, die an beiden Seiten durch so genannte Retuschierung, das sind feinste Absplitterungen, geschärft ist. Er wurde 1907 von vier Arbeitern im Goldmoor bei Willmsfeld in einer 4,50 Meter mächtigen Torfschicht in 1,50 Meter Tiefe gefunden. Durch Vermittlung über den ortsansässigen Pastor Frerichs in Westerholt wurde der Dolch für zehn Mark durch die Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer zu Emden angekauft und gelangte so in den Besitz des heutigen Ostfriesischen Landesmuseums Emden.
Die meisten Feuersteindolche aus Ostfriesland sind so genannte Einzel- oder Lesefunde. Das heißt, wie auch im Fall des Dolches von Willmsfeld, ist unklar, ob sie aus einem eingeebneten Grabhügel stammen, als Opfer deponiert wurden oder in einer Abfallgrube einer Siedlung „entsorgt“ wurden. Das und eine lange Nutzungsdauer dieser Stücke macht eine genauere Datierung dieser Dolche über andere Funde schwierig. Beim Abbrechen oder Absplittern der Klinge war es immer noch möglich sie wieder nachzuarbeiten, sozusagen nachzuschärfen.
Der Feuersteindolch von Willmsfeld ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Arbeit der hochspezialisierten Handwerker, die mit einfachen Mitteln bereits vor 3800 Jahren solch wunderschöne Werkzeuge schufen. Weitere derartige beeindruckende Steingeräte, wie Feuersteinsicheln zum Ernten von Getreide und Steinäxte mit denen ganze Häuser gebaut wurden, können sie in der Ur- und Frühgeschichtsausstellung des Ostfriesischen Landesmuseums Emden bewundern.

Maria Vollbeding M.A.